Anika - I would give everything I own...

... just to have you back again


Der Titel dieses Songs von Bread sagt alles aus, was ich fühle, wenn ich an mein erstes Pferd Anika zurückdenke. Und auch jetzt, beim Schreiben dieser Zeilen, kommen mir wieder die Tränen.


Ich möchte euch ein wenig von Anni erzählen, wenn es auch nur ein kleiner Auszug aus 22 gemeinsamen Jahren sein wird.

Anika war eine charmante und doch sture, einfühlsame und doch bockige, kuschelsüchtige und doch manchmal auf Krawall gebürstete Haflingerstute.


Sie trat in mein Leben im zarten Alter von 4 Monaten und war mein Geburtstagsgeschenk. In diesem Jahr wurde ich vier Jahre alt. Ursprünglich hat mein Opa sie von unserem damaligen Hausarzt, welcher Haflinger züchtete, für die Zucht gekauft. Er wollte selber Haflinger züchten und ich bin unendlich traurig darüber, dass es wohl nicht hat sollen sein.


Anni kam also mit einem gleichaltrigen Fohlen zu meinen Großeltern auf deren ehemaligen Bauernhof und bezog dort ihre Box. Das andere Fohlen blieb noch einige Zeit, bis sie sich eingewöhnt hatte und ging dann wieder zum Züchter zurück. Sehr glücklich und stolz waren wir alle auf dieses wunderschöne Fohlen, welches einmal zu einer Staatsprämienstute heranwachsen sollte.

 

Ihre Kindertage verbrachte sie stets draußen in Fohlengesellschaft und wuchs zu einer wunderschönen, stolzen Dreijährigen heran. Langsam kam der Tag des Anreitens. Eine gute Bekannte, welche selber seit ihrer Kindheit ritt und schon viele Pferde eingeritten hatte, sollte also auch meine Maus einreiten. Ganz langsam, ohne Zwang und Druck wurde sie an alles gewöhnt, war sehr gelehrig und begierig, stets etwas Neues zu lernen.

 

Bald schon lag der Sattel das erste Mal auf ihrem Rücken und auch Sonja's Reitergewicht akzeptierte sie sehr schnell. Es lief einfach alles viel zu gut. Sonja übernahm ihre Ausbildung und stellte sie dreijährig auf der Stutenschau vor. Sie gewann den Titel Staatsprämienstute und sollte demnach schon bald in die Zucht.
Es sollte der Hengst eines befreundeten Züchsters werden, gedeckt werden sollte im Natursprung. Es klappte alles auf Anhieb und sie nahm direkt auf. Juhu, bald würden wir Nachwuchs erwarten! Die ganze Familie freute sich sehr auf ein kleines Fohli, konnte doch jetzt schliesslich nichts mehr schief gehen.

 

Da hatten wir uns leider getäuscht. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag, an dem plötzlich der Tierarzt kam und ich den Stall verlassen musste. Ich verstand nicht warum und was dort drinnen passierte, fühlte aber, dass es meiner Maus schlecht ging und ich bei ihr sein wollte. Meine Eltern hielten es für keine gute Idee, dass eine Siebenjährige einen solchen Moment live miterlebt und so musste ich wohl oder übel drinnen warten. Nach einer schier unendlichen Zeit des Wartens wurde uns die schreckliche Nachricht überbracht: Sie hatte das Fohlen tatsächlich verloren. Aus war er, der Traum vom Nachwuchs... Das Fohlen war wohl schon ein paar Tage tot gewesen. Wir waren alle sehr geschockt und unendlich traurig und auch für Anni muss dies ein großer Schock gewesen sein, den sie nie wirklich überwunden hat. Doch es sollte noch schlimmer kommen....

Einige Jahre zogen ins Land und schliesslich starteten wir einen zweiten Versuch. Wie auch beim ersten Mal ging alles glatt und sie wurde unvermittelt trächtig. Der Bauch wurde runder und runder und die Abstände der Tierarztbesuche immer kürzer.


Der Tag der Geburt rückte immer näher. Alles schien diesmal gut zu gehen und abends gegen 22 Uhr setzten die Wehen ein.
Wieder zwang man mich, drinnen zu warten und es dauerte und dauerte und dauerte. Von Sonja wusste ich zwar, dass eine Geburt lange dauern kann, aber so lange? Ich hatte ein ganz
komisches Gefühl. Plötzlich rollte der Hänger aus der Scheune und Anni wurde verladen. Da war mir klar, dass etwas nicht stimmen konnte. Niemand hielt mich mehr und ich rannte raus. Opa sagte mir, dass es Anni nicht gut gehen würde und wir jetzt mit ihr in die Klinik nach Kerken fahren würden. Dort würde man ihr helfen. Das schlechte Gefühl wurde immer schlimmer. Noch in derselben Nacht wurde sie notoperiert.

 

Wie sich später herausstellte, hatte sich das Fohlen nicht gedreht und war verstorben. Es lag falsch herum und steif im Mutterleib, wurde im Mutterleib zersägt und herausoperiert. Und obwohl ich nicht nach Hause wollte, wurde ich irgendwann gepackt und nach Hause ins Bett gebracht. Keiner wollte verstehen, dass ich meinem Pferd beistehen wollte.

 

Ich könne jetzt nichts weiter für sie tun und solle morgen wiederkommen, hiess es. Ich musste mich fügen. Am nächsten Tag klingelte ich meine Eltern sehr früh aus dem Bett und mobiliserte sie, mit mir sofort zur Klinik zu fahren. Gesagt getan, wir fuhren hin. Da stand sie nun wie ein Häufchen Elend und trauerte um ihr Fohlen.

 

Ich habe mit ihr gelitten, sie hat mir so unendlich leid getan und ich hätte alles gegeben, um ihr diesen Schmerz ersparen zu können. Doch das konnte ich nicht. Also blieb mir nichts anderes, als ihr so gut es ging beizustehen. 

 

Leider durfte ich dann ein paar Tage nicht mehr hin. Irgendwann bekamen wir dann die Nachricht, dass Anni das Futter verweigern würde und schon stark abgemagert wäre. Man sollte mich doch so schnell es geht in die Klinik bringen, vielleicht würde ich es ja schaffen, sie zum Fressen zu bewegen. Dort angekommen bot sich mir ein Bild des Jammers: Abgemagert und rastlos lief sie in ihrer Box umher, suchte immer wieder ihr Fohlen und wieherte unruhig. Ich ging in die Box und beruhigte sie, kraulte sie und sprach mit ihr. Ich weiss nicht, wie lange wir einfach nur dagestanden haben, aber es schien ihr ein wenig gutgetan zu haben. Sie wurde ruhiger. Schliesslich griff ich in den Trog und hielt ihr eine Hand voll Hafer hin. Aus meiner Hand begann sie zu fressen und mir liefen die Tränen übers Gesicht. Meine arme kleine Maus, wie gern wollte ich ihr den Schmerz nehmen....


Jeden Tag fuhr ich von nunan in die Klinik und fütterte sie und nach ein paar Tagen reichte meine blosse Anwesenheit, um sie zum Fressen zu bewegen. Irgendwann wurde sie entlassen und es ging ihr auch wieder besser, aber das ausgelassene, fröhliche Pferd, welches sie vorher gewesen war, war sie nie wieder.

 

Ich wurde älter und begann irgendwann, sie selber auszubilden. Stetig arbeiteten wir uns in der Dressur und im Springen voran, waren schliesslich L-fertig. Mal gingen wir nur ins Gelände, mal machten wir ein wenig Springtraining und dann zur Abwechslung mal ein wenig Dressur. Oft bummelten wir spazieren. Es war eine herrliche Zeit und an Turniere habe ich keinen einzigen Gedanken verschwendet. Ich wollte sie diesem Stress nicht aussetzen, wir machten das alles nur so für uns, zum Spass.
Und wenn wir mal keine Lust hatten, dann machten wir halt auch mal gar nichts. Leider ging auch diese Zeit irgendwann vorüber...

 

Und so kam der Tag, als sie kurz nach dem Schmiedbesuch anfing, vorn rechts zu lahmen.

Ich hatte die Eisen abmachen lassen und dachte mir anfangs nichts dabei, als es jedoch nach ein paar Tagen nicht besser wurde, rief ich den TA. Er rückte mit Röntgengerät an und machte unzählige Aufnahmen, bis schliesslich die Diagnose Arthrose nicht mehr zu leugnen war. Hinzu gesellte sich ein schlimmes Sommerekzem.

Da standen wir nun: ein lebenslustiger, lauffreudiger kleiner Haflinger, der fortan nur noch im Rahmen der Umstände bewegt werden durfte.

 

Das Sommerekzem tat sein übriges und täglich wurde gewaschen, geschmiert und gecremt. Nichts half wirklich und Anni scheuerte sich immer heftiger.

 

Bald waren Mähnenkamm, Schweifrübe und Bauchnaht blutig und auch das Waschen und Cremen und Schmieren brachte keine sichtbare Linderung mehr. In den Abendstunden rausstellen war nicht
möglich, Anni blieb nicht in der Dunkelheit draußen, das konnte ich also vergessen. Und die Ekzemerdecke hat sie ein ums andere Mal zerlegt. Also ging ich wieder auf die Suche nach neuen Mittelchen und Cremchen und Pülverchen, um dieses furchtbare Ekzem irgendwie in den Griff zu bekommen. Leider nur mit mäßigem Erfolg :-(

 

Bedauerlicherweise verschlimmerte sich auch die Arthrose über die Jahre hinweg und zwischenzeitlich war Anni auch schon stolze 22 Jahre alt.

 

Es folgte der Winter 2008. Schnee fiel und wir verbrachten viele Stunden draußen auf der Koppel im Schnee. Sie hat den Schnee geliebt und ich wollte ihr alles in meiner Macht stehende
geben, solange uns die Zeit noch blieb. Wie sehr habe ich auf einen letzten Sommer mit ihr gehofft, nur einen einzigen noch...


Doch es war uns nicht vergönnt. Durch die starken Entzündungshemmer war ihr Magen sehr stark angegriffen und im März 2009 fing sie an, immer schlechter zu fressen.

Kaum noch Heu oder Möhren, selbst Mash ließ sie stehen. Ich rief die TÄ an und sie bestätigte meine Vermutung: Es hatten sich Magengeschwüre gebildet. Bald würden die Schmerzen so stark sein, dass sie rund um die Uhr Schmerzen haben würde.

 

Er rückte unaufhaltsam näher: Der Tag X. Sie fraß immer schlechter und Anfang April 2009 war es soweit:

Ich musste sie nach 22 gemeinsamen Jahren über die Regenbogenbrücke schicken. eigentlich war es ein schöner Tag und doch wird es für mich solange ich leben der schlimmste Tag in meinem Leben bleiben.

 

Der Tag, an dem ich das Liebste auf der Welt gehen lassen musste. Wie wurde noch ein letztes Mal untersucht und ich brachte sie auf ihre Koppel. Aufhören zu weinen konnte ich nicht, ich wusste, gleich ist es soweit. Auf dem Hof zerrissen wir Strohballen und legten ihr das letzte weiche Lager.

 

Dann musste ich sie von der Koppel holen. Sie wusste, was passieren würde und ich habe ihr versprochen, dass ich bei ihr bleiben würde!

 

Als die erste Spritze zu wirken begann und sie auf das Stroh fiel, zerriss es mir das Herz. Ihren Kopf habe ich auf meinen Beinen gehalten, sie gestreichelt und geküsst und mit ihr
gesprochen. Da lag mein Baby, mein Leben, mein Ein und Alles und würde gleich sterben.
                
Ein Teil von mir ist mit ihr gegangen. Ich habe Anni so sehr geliebt und sie wird immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen haben!

Ich würde ALLES dafür geben, hätte ich ihr die Krankheit nehmen können hätte ich sie gesund und munter noch heute bei mir!

 

 

                Anni ich werde dich NIE vergessen!